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6. November 2022

Lektion und Weckruf

Es gibt Tage, da haben Basketballer das untrügliche Gefühl, die falschen Schuhe angezogen zu haben. So geschehen im Auswärtsspiel der MLP Academics Heidelberg am späten Samstagabend bei den Telekom Baskets Bonn in der easyCredit Basketball Bundesliga. Drei Viertel lang wollte den Nordbadenern erschreckend wenig gelingen. Der frischgebackene Tabellenführer zeigte hingegen beim deutlichen 98:65 (30:13, 20:15, 28:17, 20:20) eine durchweg makellose Vorstellung und ließ den MLP Academics, als Außenseiter in die Partie gegangen, nicht den Hauch einer Chance. Vor 5.304 Zuschauern im Telekom Dome wurde es für Vargas und Co. phasenweise eine bittere Angelegenheit. Bonn erteilte Heidelberg eine Lektion in Sachen Teambasketball, Intensität und Effizienz.

Nach einer solch einseitigen Korbjagd, die den Klassenunterschied zwischen einem Spitzenteam und einer Mannschaft, die den Ligaverbleib anvisiert, offensichtlich werden ließ, fällt es zunächst schwer, etwas Positives herauszufiltern. Doch wenn es Gutes zu verkünden gibt, dann dies: Die klare Niederlage kann sich für die Schützlinge von Trainer Joonas Iisalo als hilfreiche Mahnung erweisen. Jedem im engen Umfeld des Teams dürfte beim „R(h)einfall“ am Bonner Hardtberg klar geworden sein, dass es mit Halbherzigkeit, mangelnder Konzentration und insgesamt zu wenig Aggressivität nicht geht.

Lautenschläger: „Ein bisschen konsterniert“

In Bonn war vom Sprungball weg Sand im Getriebe. Foto: Lukas Adler

„Mir hat die Art und Weise nicht gefallen“, sagte der Geschäftsführende Gesellschafter Matthias Lautenschläger, „wir haben alles vermissen lassen. Ich bin ein bisschen konsterniert wegen der schwachen Leistung. Ich hoffe, es ist ein Weckruf – vielleicht war’s das ja für uns!“ Lautenschläger betonte, dass man natürlich immer auf einen Überraschungseffekt hoffe, doch „wirklich realistisch“ sei es eben nicht, einem ungeschlagenen Team wie Bonn Paroli bieten zu können. Und er ergänzte, dass bei den bisherigen Siegen mit Buzzerbeatern den MLP Academics sicherlich Können, aber auch Glück zur Seite gestanden sei.

In Bonn war vom Sprungball weg Sand im Getriebe. Wieso? Bereits die ersten beiden Szenen waren ein Signal – Michael Kessens und Jeremy Morgan schlossen mit krachenden Dunkings ab. Schon hier hatten sich die Heidelberger in der Verteidigung verspekuliert und kassierten wie im ganzen Match leichte Punkte der wie entfesselt auftretenden Hausherren. „Wir wollten die Mannschaft sein, die zuerst zuschlägt“, verriet Baskets-Rückkehrer Michael Kessens die taktische Marschroute. Dies setzte der letztjährige Halbfinalist nahezu perfekt um. Strenggenommen sollte bereits nach dem ersten Viertel (30:13), spätestens jedoch in der Halbzeit (50:28) die Messe gelesen sein.

Joonas Iisalo: „Männer gegen Jungs“

Über den gesamten Spielverlauf sollten indes die Zweier den Qualitätsunterschied belegen. Foto: Lukas Adler

„Es war Männer gegen Jungs“, konstatierte Joonas Iisalo, „das ist einfach ein schlechtes Spiel von uns gewesen. Es gibt keine Entschuldigung dafür.“ Natürlich war der Academics-Cheftrainer total geknickt, während sein Bonner Pendant und älterer Bruder Tuomas Iisalo stolz verkünden durfte: „Das war unsere bislang beste Performance.“ Heißt in den drei Wettbewerben BBL, Champions League und DBB-Pokal mit Beteiligung der Telekom Baskets …

„Kein einziger Spieler von uns konnte seine Leistung abrufen“, ordnete Alex Vogel, Sportlicher Leiter der MLP Academics, die Klatsche ein, „Bonn hat einen herausragend guten Tag erwischt und ist immer auf dem Gaspedal geblieben. Du kannst in Bonn untergehen. Ich will nicht von einem Rückschlag reden, doch wir haben gesehen, was passiert, wenn wir nicht an unser Maximum gehen.“ Volle Zustimmung.

Der Blick auf die Statistik sagt im Grunde alles. Sieben Cracks der Magentafarbenen scorten zweistellig – bei Heidelberg kam lediglich Eric Washington (18) über die Zehn-Punkte-Marke. Bis zur Pause ließen sich die eklatanten Unterschiede hinsichtlich der Trefferquote an der Dreierbilanz festmachen: Baskets 6/9 und somit 67 Prozent, Academics 1/17 magere 6 Prozent. Über den gesamten Spielverlauf sollten indes die Zweier den Qualitätsunterschied belegen. Bonn gelangen deren 27/40, Heidelberg 11/24 Zwei-Punkte-Würfe, dies entspricht fast exakt der Korbdifferenz nach vierzig Minuten (98:65). Mindestens genauso aufschlussreich sind die Werte im Reboundverhalten (41/25) und bei den Assists (26/6).

Ausreichend Zeit zur Analyse

Es gibt ausreichend Zeit zur Analyse, da die Länderspielpause vor der Tür steht. Foto: Lukas Adler

Also Mund abputzen, weiter geht’s? Der Stachel dieser Lehrstunde sitzt bei den MLP Academics tief. Also heißt es erst einmal sacken lassen, Videos gucken, schonungslos analysieren – und dann wieder im Trainingsbetrieb angreifen. Ausreichend Zeit zum Nachdenken bleibt sowieso – weil die Saison wegen der Länderspielpause erst am 20. November (15 Uhr, SNP dome) mit der Heimpartie gegen ratiopharm Ulm fortgesetzt wird.

Zu voreiligen Statements ist es nach einem für die Heidelberger rundum „gebrauchten Abend“ ohnehin zu früh. Das Auftaktprogramm in der BBL war alles andere als ein „Spaziergang“: Ludwigsburg, Frankfurt, Berlin, Oldenburg und Bonn – vier davon sind mutmaßlich Playoff-Kandidaten und zwei davon, und zwar Berlin und Bonn, hegen berechtigte Titelambitionen. Man darf – wenn die MLP Academics die Bonner Galavorstellung als Warnsignal für sich selbst begreifen – schon mal in den vermeintlich „falschen Schuhen“ laufen.

 

Stimmen zum Spiel:

„Erstmal Glückwunsch an Bonn. Ich bin sehr enttäuscht vom Spiel. Es war von Anfang an nicht gut von uns, der Gegner war wesentlich aggressiver als wir. Das Spiel war über vier Viertel sehr einseitig, wir hatten keine Idee, wie wir Bonn attackieren können.“

Joonas Iisalo, Trainer der MLP Academics

„Ich bin sehr glücklich über den Ausgang des Spiels. Wir haben die offenen Dreier finden können und haben unsere Chancen genutzt. Das war bisher unsere beste Performance in dieser Saison. Wir hatten eine normale Trainingswoche und konnten unsere Basics deutlich verbessern. So haben wir Heidelberg das Spiel erschwert.“

– Tuomas Iisalo, Trainer der Telekom Baskets

„Es war von der ersten bis zur letzten Sekunde eine Lehrstunde in puncto Intensität, Aggressivität, Energie und Spielfreude. Bonn hat einen herausragend guten, wir einen schlechten Tag erwischt. Sie haben uns von Beginn weg den Zahn gezogen und dann lief das Spiel ganz schnell in eine falsche Richtung für uns. Es gilt für uns, die Niederlage abzuhaken, Lehren daraus zu ziehen und dann gegen Ulm wieder ein anderes Gesicht zu zeigen.“

– Alex Vogel, Sportlicher Leiter der MLP Academics

Für die MLP Academics Heidelberg spielten: Eric Washington 18 Punkte (3 Dreier), Vincent Kesteloot 9 (2), Max Ugrai 8, Shy Ely 7 (1), Elias Lasisi 7 (1), Felix Edwardsson 5 (1), Akeem Vargas 3 (1), De’Jon Davis 3, Lukas Herzog 3, Niklas Würzner 2, Bryan Griffin (DNP), Leon Friederici (DNP).

Telekom Baskets Bonn: Jeremy Morgan 16 (3), Collin Malcolm 14 (1), Tyson Ward 13, Sebastian Herrera 12 (2), TJ Shorts II 11 (2), Leon Kratzer 10, Finn Delany 10 (2), Michael Kessens 5, Deane Williams 4, Karsten Tadda 3 (1), Zachary Ensminger.

Text: Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien

Zuschauer:innen: 5304
MLP Academics Heidelberg – Basketball mit Zukunft